Kult des Zephyr
Der Kult der Zephyr oder Zephykult ist eine der drei großen religiösen Bewegungen auf dem Kontinent Heralos. Es ist offizielle Religion im Königreich Thieran, mit weiteren wenigen Anhängern in Gradan und Carvino. In den übrigen Reichen ist der Kult nicht vertreten. Nach dem Verschwinden der Alten Götter ist der Kult des Zephyr die älteste Religion des Kontinents.
Der Zephyr
Der Kult des Zephyr ist, ähnlich wie der Glaube des Weißen Feuers, eng mit dem Element Feuer verbunden. Der Zephyr wird als riesiger, goldener Vogel beschrieben, dessen Augen wie Opale leuchten und in allen Farben des Regenbogens strahlen. In verschiedenen Regionen wird sein Gefieder entweder als in Flammen stehend oder gänzlich aus gleißendem Feuer bestehend beschrieben. Viele Gothaen glauben, Falken, besonders Sturmfalken, seien die Nachkommen des Zephyr und erachten ihre Sichtung als gutes Omen und Glücksbringer.
Die Anhänger des Kultes glauben, der Zephyr wäre aus der Sonne geboren und würde ihre Kraft und Wärme in sich tragen. So soll er der einst trostlose und kalte Erde von Thieran mit seiner Kraft neues Leben eingehaucht haben; die Erde aufgetaut, Eis zum Schmelzen gebracht und damit Flüsse gefüllt haben, um fruchtbaren Boden für Pflanzen und Tiere und schließlich auch die Siedler zu schaffen. Jeden Tag durchzieht der Zephyr den Himmel, um anschließend in die Dämmersee zu stürzen und zu sterben. Als unsterbliches Geschöpf wächst er während der Nacht in seinem Ei, dem Mond, heran und schlüpft jeden Morgen neu, um den neuen Tag zu bringen.
Flammende Träume
Flammende Träume, auch Ruf des Zephyr genannt, sind eine sehr seltene Form von prophetischem Traum, der mit dem Zephyr in Verbindung steht. Die wenigen Betroffenen erleben einen Traum, in dem der Zephyr sie an einen Ort führt, um ihnen Ereignisse aus der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu zeigen. Flammen besitzen in diesen Träumen immer eine große Präsenz, selbst wenn im realen Ereignis kein Feuer vorhanden ist. Sie können einmalig erscheinen oder den Betroffenen über Jahre und Jahrzehnte hinweg verfolgen. Flammende Träume werden als Weg zur Kommunikation des Zephyr mit den Menschen angesehen und gelten als heiliges Omen.
Organisation
Leviten
Novizen des Kultes werden Leviten genannt. Nachdem sie ihr Gelübde abgelegt haben, geben sie ihre Nachnamen auf, selbst wenn sie aus adligen Familien stammen, und verbrennen ihre irdischen Besitztümer. Sie leben und arbeiten in religiösen Einrichtungen und verrichten in der Regel einfache Aufgaben wie Putzen, Wäsche waschen, Gartenarbeit, Kochen und beten mehrmals am Tag. Nach etwa einem Jahr haben die Leviten die Wahl, ihre bisherige Arbeit fortzusetzen oder ein Studium am Dalmask-Dom aufzunehmen. Viele Novizen verlassen die Gotteshäuser nach diesem Jahr der harten körperlichen Arbeit. Mitglieder, die nicht lesen und schreiben können, bleiben ihr Leben lang Novizen.
Kapläne
Die männlichen und weiblichen Priester des Kultes werden Kapläne genannt. Männliche Kapläne tragen oft graue Gewänder, die mit den verschiedenfarbigen Bändern verziert sind, die sie während ihres Studiums erworben haben und die oft an ihrem Gürtel befestigt sind. Sie leiten die Messen mit dem Entfachen von Feuerschalen und Liedern. Weibliche Kaplane tragen in der Regel weiße Gewänder und haben ihre Bänder ins Haar geflochten, oft zu geflochtenen Haarknoten gebunden. Da der Kult keine Trennung zwischen Männern und Frauen kennt, können männliche Kapläne den weiblichen Mitgliedern einer Adelsfamilie dienen und sogar als Hebamme bei der Geburt fungieren und umgekehrt.
In Dörfern, die zu klein sind, um einen Kaplan zu unterhalten, kann ein Kaplan aus einem Nachbardorf zu Besuch kommen. In anderen Fällen reist ein "wandernder Priester" von Dorf zu Dorf und besucht diese kleinen Gemeinden. Diese Kapläne vollziehen heilige Dienste, schließen Ehen und vergeben Sünden. Während der Kaplan das Dorf besucht, müssen die Bewohner ihm Verpflegung und einen Schlafplatz zur Verfügung stellen.
Zephoren
Die fünf Zephoren sind die höchste religiöse Autorität im Königreich Thieran. Ein Zephor wird normalerweise vom Zephorat gewählt, einem Rat einflussreicher Kapläne, der nur zur Wahl in Baltersheim zusammenkommt. In Ausnahmesituationen, wie etwa nach der Ersten Sonnentempel-Rebellion, kann der König jedoch großen Einfluss auf die Wahl eines neuen Mitglieds nehmen. Ein Zephor dient sein ganzes Leben lang und beweist höchste Hingabe an den Kult, indem er sogar seinen Vornamen ablegt. Jeder Zephor leitet und koordiniert eine Region von Thieran in religiöser Hinsicht. Er hört sich die Wünsche und Beschwerden der Priester und des Volkes gleichermaßen an. Zephoren haben eine ähnliche Funktion wie die Fürsten: Sie beaufsichtigen die Bauarbeiten an den Einrichtungen des Kultes, verwalten die Spenden der Tempel und leiten Steuergelder an die Krone weiter. Zephoren halten nur an den heiligsten Feiertagen Zeremonien und Rituale ab.
Goldenes Kreuz
Der Orden des Goldenen Kreuzes ist ein ritterlicher Orden von frommen Rittern und gläubigen Waffenknechten, die ihr Leben dem Dienst und Schutz des Kults gewidmet haben. Geführt von einem Chormeister, der direkt den Zephoren untersteht, dient der Orden als religiöse Garde, die die Tempel und Priester des Kultes sowie die Pilger auf den Straßen vor Banditen und Räubern schützt. Wie die Priester verzichten ihre Mitglieder auf Familie, Gold und Land. Ursprünglich bestand der Orden ausschließlich aus gesalbten Rittern, doch schlossen sich viele Mitglieder der inzwischen aufgelösten Tempelwache dem Orden an.
Rituale
Verehrung
Die Anhänger des Kultes verehren den Zephyr in Tempeln des Zephyr, manchmal auch Sonnentempel genannt. Aussehen und Aufbau dieser Tempel sind je nach Bauperiode und regionalen Einflüssen unterschiedlich und reichen von kleinen, kompakten Steinhäusern bis zu prunkvollen, hoch aufragenden Tempeln mit Marmorsäulen. Sie sind oft mit Blumen, Seidenbändern und Bannern in den Farben Gelb, Orange, Rot und Gold geschmückt. In der Mitte jedes Tempels stehen vier große Eisenschalen, von denen jede zu einer anderen Tageszeit brennt, drei nach dem Lauf der Sonne und eine vierte in der Nacht. Beim Betreten des Tempels muss der Gläubige etwas in das Feuer werfen (in der Regel einen Mistelzweig), bevor er vor dem Altar betet. Die Altäre sind aus Marmor gefertigt, in den Symbole und Bilder des Zephyr eingemeißelt sind. Die Wände der Tempel sind bemalt mit Szenen wichtiger Ereignisse aus der Geschichte Thierans, wie z. B. die große nördliche Expedition für das leseunkundige einfache Volk.
Während es heißt, dass Gebete innerhalb der heiligen Mauern wahrscheinlicher vom Zephyr erhört und beantwortet werden, praktizieren viele Gothaen ihren Glauben unter freiem Himmel, indem sie hölzerne Leuchtfeuer oder Kohlebecken entzünden, um an ihnen zu beten. Während der Feiertage ziehen Prozessionen mit Fackeln durch die Siedlungen und singen und rufen bis in die Nacht hinein. Statuen des Zephyrs aus Holz oder Heu werden zur Sommersonnen- und der Wintersonnenwende sowie bei Erntefesten angezündet, um dem Zephyr Kraft für die neue Jahreszeit zu geben.
Bestattung
Der Kult glaubt, dass der Tag den Lebenden und Gesunden gehört, während die Nacht den Kranken und Toten gehört. Daher werden Gebete, die die Genesung einer Krankheit oder eines Leidens wünschen, in der Nacht verrichtet, da man glaubt, dass der Zephyr sie nur dann hört, wenn er in seinem Ei verletzlich ist und die Welt in Stille liegt.
Verstorbene des Kultes werden in der letzten Abendstunde vor Einbruch der Nacht unter freiem Himmel beigesetzt, damit der Zephyr ihre Seelen in sich aufnehmen und so weiterhin Wärme und Sonnenstrahlen in die Welt bringen kann. Dazu wird der Leichnam auf ein Bett aus Reisig gelegt, das mit Kräuter und Blumen geschmückt ist. Am Kopfende befindet sich eine brennende Feuerschale, die den Zephyr repräsentiert. Nachdem die Hinterbliebenen Abschied genommen haben, wird der Leichnam mit Öl übergossen und die Feuerschale umgestoßen, sodass der Körper vollständig verbrennt. Die gesamte Nacht über werden leise Lieder und Gebete für den Toten gesungen, meist begleitet von einem Priester auf einem Instrument. Die Asche wird anschließend, je nach Stand, vielseitig verwendet: Bauern verstreuen die Asche für eine gute Ernte auf den Feldern, Kaufleute vergraben die Asche in einer Urne unter der Türschwelle ihrer Läden. Die Könige Thierans und ihre Familien werden in einem Hügelgrab im Findlingsfeld bestattet.
Verbrecher, deren Körper durch Todesurteile wie Erhängen oder Vierteilen öffentlich zur Schau gestellt werden, werden nach werden nach dem Vollzug ihrer Strafzeit ebenfalls verbrannt. Nur die Gebeine der schlimmsten Straftäter werden ohne Feuerbestattung begraben, damit der Zephyr sie nicht findet.
Geschichte
Legenden zufolge war das Auge des Zephyr der erste Priester, den der Zephyr in einem seiner Träume aufsuchte und ihn von meinem verheißenen Land im Norden berichtete. Während der großen Pilgerreise nach Norden überquerten er und zahlreiche weitere Anhänger die Grauwetterberge und ließen sich im Norden des Kontinents wieder.